Donnerstags bin ich immer in Karlshorst.
Dann setze ich mich, schönes Wetter vorausgesetzt, mit Hundi auf eine Bank und fange an zu lesen. Earl Grey liegt neben mir und paßt auf mich auf. Okay, zugegeben, das habe ich jetzt geschrieben, weil es so nett klingt. Er liegt halt neben mir. Das Schöne ist: Mit ihm lerne ich IMMER jemanden kennen.
Gestern war es besonders unterhaltsam.
Während ich da so sitze, schlendert eine Großfamilie heran – Mama, Papa, vier kleine Kinder im Alter von etwa zwei bis sechs Jahren. Ich vermute, es handelt sich um eine Familie aus der nicht weit entfernt gelegenen Flüchtlingsunterkunft. Sie alle sehen Earl Grey, der die Position einer Sphinx innehat und gelassen bis hochnäsig guckt. Die Kinder und ihre Eltern freuen sich und lächeln den Hund und mich an. Ich lächle zurück und lese weiter.
Zwei ältere Damen und später noch ein junges Paar fragen mich, um was für einen Hund es sich handelt.
Ein älterer Herr nähert sich unterdessen, gemeinsam mit seiner nicht angeleinten Yorkshire-Dame, die sehr respektvollen Abstand zu meinem Hund hält. Nun sorgt der Mann für eines meiner Tageshighlights, denn er fragt: „Trägt der Hund denn einen Namen, der einem König gebührt?“. Stolz antworte ich: „Ja, Earl Grey.“Der König merkt natürlich schon, dass es um ihn geht. Er schaut entsprechend. Als der Mann sich ihm zuwendet, erhebt sich der Neufundländer und plötzlich richten sich die Zeigefinger sämtlicher Mitglieder der Familie auf ihn, begleitet von Ohs und Ahs. Sie winken dem Hund und mir strahlend zu.
Ein schöner Nachmittag.